Datum: Sonntag, 17. März 2019        14:30 - 16:30 Uhr
Thema: Dorfläden - Einkaufen in Seebronn Sonntags-Erzählen mit Kaffee und Kuchen
Ort, Räumlichkeit:        Kath. Gemeindehaus Seebronn  
     
Teilnehmer: 37 Teilnehmer, davon 5 Vereinsmitglieder  
     
Zusammenfassung: Susanne Rubik  

Dorfläden – Einkaufen in Seebronn

Begrüßung

Ludwig Wellhäuser

Start mit Werbefilmen aus den 50er und 60er Jahren

Informationen zum Dorfladen - Eveline Öhrlich

Eine Gruppe aktiver SeebronnerInnen bereitet die Gründung eines Genossenschaftsladens vor. Zur Zeit ist bereits 28 000 € Genossenschaftskapital vorhanden, noch 22 000 € werden gebraucht, um die Genossenschaft zu gründen. Das Kapital wird ausschließlich für die Ladenausstattung und Ladenmiete sowie den Warenbestand gebraucht.

Eveline Öhrlich wirbt um weitere Unterstützung. Es wird angestrebt, die Genossenschaft im Mai 2019 zu gründen, um den Laden dann bis Ende des Jahres eröffnen zu können. Zurzeit wird eine Standortanalyse durchgeführt, das ist Vorschrift vor der Gründung. Die Kosten dafür werden von der Stadt Rottenburg übernommen.

Einführung ins Thema - Thomas Rubik

Laut Chronik wurde 1890 der erste Laden in Seebronn eröffnet, fälschlicherweise steht in der Chronik Familie Baur, gegründet wurde er von der Familie Hahn. Thomas Rubik zeigte einige Fotos der verschiedenen Läden, die es im 20. Jahrhundert in Seebronn gegeben hat: Rewe-Laden Hahn/Baur in der Hindenburgstraße 29 gegenüber der Kirche, Edeka-Laden und Herrenfriseur von Gregor Schach in der Hindenburgstraße 18 neben dem jetzigen Fußpflegesalon und von der Metzgerei Adolf Diebold in der Hindenburgstraße 3 neben dem Gasthaus Hirsch.

Gezeigt /ausgelegt wurden Werbe-Schriften des Edeka-Ladens, zur „Billige Seifen Wochen“ (ca. Mitte der 30er-Jahre), in denen aber auch viele andere Waren und Kolonialwaren („Edeka“ steht für Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler) angepriesen werden. Gregor Schach vermerkt „Wer zahlt mit euch die Steuern und Lasten, darum kauft am Platze bei einheimischen Geschäften und nicht von Händlern und Hausierern“. Gregor Schach hat auch mit Zinser, Herrenberg zusammengearbeitet und bietet in einem Werbeblatt vom November 1932 „Viele hundert Reste in meinem billigen Reste-Wochen“ an. Diese sind Stoffe, z.B. „Hemdenflanell, Frauenflanell, Schürzenzeugle, Kleiderzeugle, Pers“. Lore Göckel zeigte hierzu die weiße Hochzeitsschürze ihrer mütterlichen Großmutter, Hengher, die wohl aus feinem Schürzenzeugle hergestellt war. Diese wurde so um 1900 zur schwarzen Tracht getragen.

Im Folgenden möchte ich die Ergebnisse des Erzählten, der Gespräche und der Informationen festhalten. Moderiert wurde das „Seebronner Erzählen“ von Ludwig Wellhäuser. Der bereit gestellte Kaffee und Kuchen fand guten Anklang. Es war eine lebhafte Runde – ein gelungener Nachmittag.

Lebensmittelladen Baur gegenüber der Kirche

Der wohl älteste Laden ist der Lebensmittelladen von Familie Baur, laut Chronik gegründet 1890 von Fridolin Hahn. Übernommen und weiter betrieben wurde der Laden dann über lange Zeit von seiner Tochter Maria und deren Mann Valentin Baur. Im Verlauf wurde es ein VeGe-, später ein Rewe-Laden. Ende der 60er-Jahre wurde es vom Verkaufsthekengeschäft in einen Selbstbedienungsladen umgebaut.

Die Möglichkeit der Selbstbedienung verleitete nach Aussage mehrerer Anwesender sehr zum Einstecken von Kleinigkeiten wie zum Beispiel Brausestängele. Maria war wohl eine sehr energische Frau. Die erst 6 jährige Enkelin wurde mit der Aussicht auf Schleck als Belohnung dazu angehalten, Waren einzuräumen.

Valentin arbeitete außer im Laden auch noch als Mechaniker und reparierte so allerlei. Arztrezepte konnten im Laden abgegeben werden, es gab eine Kooperation mit den Apotheken - zunächst in Ergenzingen dann in Bondorf (Ott).
Anfang der 70er Jahre wurde der Laden für ein paar Jahre von Heinrich Weiß übernommen, bevor ihn dann am 7.7.1977 Otto Joos als Bäckerei mit Lebensmittelladen übernahm.

Kolonialwarenladen (Edeka) und Herrenfriseur Gregor Schach

Gregor Schach hatte als Jüngster von fünf Kindern eine Lehre zum Herrnfriseur gemacht, weil diese Ausbildung nichts kostete. 1932 eröffnete er seinen Laden und Frisör im eigenhändig gebauten Haus in der Hindenburgstraße 18. Später gab er nach einer Wirbelverletzung die Tätigkeit als Frisör auf, betrieb den Laden aber weiter. Dort gab es ein reichhaltiges Sortiment (siehe Werbeschriften): Stoffe und Kleidung, Drogerieartikel, landwirtschaftlicher Bedarf, Eisenwaren, Porzellan und Besteck, Öle und Fette etc., außerdem Kolonialwaren wie Tabakwaren, später wohl auch Getränke in Pfandflaschen. Erzählt wurde, dass die leeren Pfandkisten hinter dem Haus gelagert wurden. Um sich ein kleines Taschengeld zu verdienen, wurden manchmal leere Pfandflaschen aus den Kästen stibitzt und wieder an der Kasse abgegeben. Gregor Schach hat im Winter als Zusatzverdienst Samen, insbesondere Kleesamen gezogen, dafür hatte er eine Reinigungsmaschine. Diese Arbeit wurde auch von seiner Tochter Irene übernommen. Er hat die Samen an Bauern aus der Umgebung verkauft. Ein weiterer Zusatzverdienst war das Eindosen von Wurst aus den Hausschlachtungen. Die Dosen wurden mit den Jahren immer kleiner, weil der obere Rand bei jeder Wiederverwendung abgeschnitten werden musste.

Etwa um 1974 hat die Familie Bucher aus Alters- und Krankheitsgründen den Laden geschlossen.

„Rösles Laden“

In der Feuerseestraße 1 gab es in einem Raum im Erdgeschoss, der jetzigen Küche, einen kleinen Laden. Dieser Laden war seit den 20er-Jahren von zwei Tanten von Rösle Mauz, dem Fränzele und der Emma Schäfer, betrieben worden. Nach deren beider Tod in den 40er-Jahren hat Rösles Schwester Franziska, den kleinen Laden übernommen, nach deren Tod 1957 dann Rösle selber bis ca. 1962. Dort gab es alle Waren offen, vor allem Lebensmittel, aber auch Waschmittel und Zigaretten. Beliefert wurde der Laden vom Schad aus Rottenburg. Der Bohnenkaffee wurde vor Ort geröstet und von den Kindern von Hand gemahlen. Der Laden war immer offen, man ging eben hin, wenn man etwas brauchte. Am Sonntagmorgen wurde regelmäßig „handvollweise“ Kaffee verkauft.

Metzgerei Diebold

Die Metzgerei wurde von Adolf Diebold wohl Anfang des 19. Jahrhundert gegründet. Dort wurde vor allem frisches Fleisch und Wurst „zwischendurch“ eingekauft. In vielen Familien gab es damals ein- bis zweimal im Jahr (im Herbst und im Frühjahr) Hausschlachtungen des eigenem Viehs und den Schweinen. Die Wurst wurde eingedost und somit lange haltbar. Fleisch aus den Hausschlachtungen wurde in der Gemeindegefrieranlage gelagert. Somit war ein großer Bedarf an Metzgereiwaren bereits abgedeckt. Nach Adolfs Tod wurde die Metzgerei Anfang der 60er Jahre von der Metzgerei Brobeil aus Ergenzingen als Filiale betrieben. Adolfs Tochter Alma Hahn arbeitete dort als Metzgereiverkäuferin.
Später muss es noch eine Metzgerei Balm gegeben haben und danach verschiedene Filialen in der Hindenburgstraße 20 – Metzgerei Klaus/Bäuerle Rottenburg, Metzgerei Schäfer/Bittelbronn,

Bäckerei Peyk

Bis nach dem Krieg wurde alles Brot und sonstige Backwaren vor allem in der Gemeindebackküche im Rathaus oder selbst zuhause gebacken. Nach dem Krieg backte zusätzlich ein als Flüchtling ins Dorf gekommener Bäcker, Herr Peyk, in der Gemeindebackküche beim Gasthaus Rössle. Er backte sowohl eigene Backwaren, die er verkaufte, als auch das Brot für seine Kunden. Außerdem verkaufte er Backzutaten wie zum Beispiel Hefe.

Bäckerei Joos

Im Januar 1973 kam dann Otto Joos, Bäckermeister aus Rottenburg, ins Dorf und backte zunächst im Gemeindebackhaus. Am 7.7.1977 eröffnete er seine Bäckerei und Ladengeschäft in der Hindenburgstraße 29, dem ehemaligen Laden von Hahn/Baur/Weiß. Die Backstube war weiterhin in der ehemaligen Gemeindebackküche. Dort verkaufte er neben seinen Backwaren auch Lebensmittel aller Art. 1992 zog er mit seinem Laden um in die Räume der jetzigen Bäckerei, die zum Gasthaus Rössle gehört hatten. 2003 gab er die eigene Bäckerei auf, seither gibt es eine Filiale der Bäckerei Ziegler aus Schopfloch in den gleichen Räumen. Ein Lebensmittelangebot gibt es dort jetzt nicht mehr.

 

Von den 20er- bis in die frühen 60er-Jahre boten drei Läden am Ort ihre Waren an. Das Angebot reichte von Grundnahrungsmitteln über Haushaltswaren bis zu Geräten für die Landwirtschaft. Ergänzt wurde dieses Angebot durch Bäckerei (ab Ende der 40er-Jahre) und Metzgerei. Es wurde deutlich, dass man fast alles fußläufig erhalten konnte. Was es nicht gab, z.B. Kleider und Schuhe, besorgte man sich in Rottenburg auf den Märkten (Georgimarkt im April und Martinimarkt im November) oder durch „Fahrende Händler“ und „Hausierer“, die regelmäßig im Dorf vorbeikamen. In Erinnerung geblieben sind der „Schmotz-Frank“ wegen seiner Seifen und dem Ochsenmaulsalat und der „Schuh-Luik“. Geblieben ist der Fischwagen, der schon seit vielen Jahren und auch heute noch nach Seebronn kommt.

Einkaufen ohne Verpackung war bis zur Einführung der Selbstbedienung Normalität. Viele Lebensmittel wurden in die mitgebrachten Gefäße gefüllt – Maggi und Essig in die Flasche, der Hering kam auf den Teller oder ins Glas. Das Bier holte man mit dem Krug im Rössle. Eindrucksvoll war der Bericht über den Mann, der ein Ei gegen einen Stumpen eintauschen wollte.

Der erste Selbstbedienungsladen entstand Ende der 60er-Jahre, vorher wurde alles über den Tresen verkauft. Dass dies auch ohne Worte gehen konnte zeigte das Beispiel der Frauen. Wenn sie sonst ihre Einkäufe im Schurz nach Hause trugen, so stellten sie an gewissen Tagen eine Tasche ohne Kommentar hinter den Tresen. Es war klar, was in diese Tasche hineinsollte – nämlich das, was man sich auszusprechen scheute.

Da einige Nachkommen der ehemaligen Ladenbesitzer anwesend waren, konnte man erfahren, dass niemand sein Auskommen durch den Laden allein hatte. Jede Familie hatte noch seine Landwirtschaft oder bot Dienstleistungen an. Andere verdienten sich als Schlosser und Maschinenbauer ein Zubrot.

Fotos:

Lebensmittelladen Baur

Metzgerei Diebold            

Kolonialwarengeschäft Diebold

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